Interview mit Adam Green (2007)

Äschert meinen Kopf ein und begrabt den Rest!

Adam Green über Mäuse, Kakerlaken, den Tod und sein neues Album

Gramercy-Cafe, 17th Strasse und 3. Avenue, New York City. Hier frühstückt Sänger Adam Green täglich. Na ja, nennen wir es lieber Brunchen, schließlich ist es fast immer 12.30 pm, wenn der 26 Jährige hier erscheint. Heute mit Dreitagebart, einer Baskenmütze auf dem Kopf und einer Kette mit Schlüssel um den Hals.

Adam, in New York sieht man morgens entweder Leute, die joggen oder die mit ihrem Hund spazieren gehen, zu welchen gehörst Du?

Adam Green: Zur dritten Sorte. Nämlich denen, die die ganze Nacht wach ist und um diese Zeit erst nach Hause kommt.

Du hast also –für New Yorker ja ungewöhnlich- keinen Hund?

Adam Green: Nein, ich hatte nie Tiere, seit ich für mich selbst lebe. Früher als Kind, da hatten wir einen Papagei. Ansonsten mag ich Affen, aber ich möchte keinen besitzen. Das wäre hier in der Stadt ja wohl auch ein wenig schwierig…

Welche Zeitungen liest Du morgens: New York Times, Daily News oder New York Post?

Adam Green: CNN.com.,also News im Internet. Nur manchmal kaufe ich mir die Times oder Post. Die Post ist halt echt Mist, kostet ja auch nur 25 Cent. Ich lese entweder das schlechteste Blatt oder das beste wie die Times, aber nichts dazwischen so wie die Daily News, die kaufe ich nie.

Inwiefern bist Du ein typischer New Yorker?

Adam Green: Schwer zu sagen…

Dann konfrontiere ich Dich einfach mal mit üblichen Klischees. Wie viele Paar Flip Flops besitzt Du?

Adam Green: Nur ein Paar, aber die trage ich nie in der Stadt, nur am Strand…

Und wie viele Plastiktüten vom Shoppen hast Du zuhause? (Anm.d.Red.: in New York bekommt man Einkaufen alles in Dutzende Tüten eingepackt)

 Adam Green: Viele, alle unter der Spüle. Aber die brauche ich auch, denn wenn ich eine Maus erwische, dann greife ich sie damit und ertränke sie im Klo…

Klingt brutal…

Adam Green: Ist es aber nicht, ich denke, das ist der beste Weg, denn die Maus klebt ja noch lebend an der Mausefalle und die würde man nie mehr davon losbekommen. So halte ich sie einige Sekunden unter Wasser, bis sie nicht mehr lebt…

Wie ist Deine Beziehung zu Kakerlaken?

Adam Green: Ich habe ne Menge von denen in der Wohnung, die meisten hinter dem Kühlschrank. Deshalb muss auch einmal im Monat der Kammerjäger kommen. Ich würde keinem raten, eine Wohnung im Erdgeschoss zu nehmen, so wie ich. In meinen früheren Wohnungen hatte ich bislang nie das Problem.

Wenn wir gerade von Deiner Wohnung sprechen: wie ist die denn eingerichtet?

Adam Green: Sehr französisch. Meine Freundin und ich leben in einem Einzimmerloft, das aber für New Yorker Verhältnisse ziemlich groß ist. Durch die hohe Decke, die Steinmauer und den Esstisch, der direkt am Fenster steht, wirkt der Raum fast wie ein Outdoor-Cafe, finde ich. Eingerichtet hat das Appartement zum großen Teil meine Freundin, zum Beispiel die Möbel aus dem 19.Jahrhundert stammen von ihr, ich bin ja eigentlich eher fürs Schlichte und gebe normalerweise nicht viel Geld dafür aus. Ansonsten haben wir einen riesengroßen Spiegel, der fast über die ganze Wand geht. Und alles andere an Kunst habe ich erst kürzlich auf dem Flohmarkt von Chelsea gekauft.

In den berühmten wöchentlichen garbage-nights (Sperrmüll) werfen die New Yorker ja teilweise nagelneue Dinge weg, die andere dann wiederum mitnehmen. Hast Du da auch schon mal was gefunden?

Adam Green: Nicht für diese Wohnung, aber für die vorhergehende hab ich mal ein paar Stühle von der Strasse mitgenommen. Allerdings haben die nicht lange gehalten.

Wie bewegst Du Dich am liebsten in der Stadt? Nimmst Du den Bus, die Subway?

Adam Green: Dadurch, dass ich mitten in der Stadt lebe, versuche ich, so viel wie möglich zu Fuß zu laufen.

In der subway spielen ja sehr viele Musiker, die darauf hoffen, eines Tages groß rauszukommen. Wie denkst Du darüber?

Adam Green: Na ja, ich habe ja auch mal so angefangen, ich habe damals Downtown auf der N und R Linie gespielt. Zusammen mit meinem Freund Turner Cody, der inzwischen für die französische Band Herman Düne spielt, die sind übrigens echt gut.

Welche Plätze würdest Du jemandem zeigen, der zum ersten Mal nach New York kommt?

Adam Green: Da gibt’s einen Ort in der 17.Strasse, zwischen der 6. und 7. Avenue, das ist das Rubinmuseum, da gibt’s jede Menge Kunst aus Zentralasien zu sehen und aus der Mongolei, gerade hatten sie da eine Ausstellung über die Sikhs. Die Innenarchitektur erinnert mich ans Guggenheim-Museum in Miniaturform. In der Lobby spielen da welche Zither und so. Ich mag diesen Ort, weil er so friedvoll ist und die Kunst wirklich gut ist.

Dann ist Times Square Dir bestimmt zu laut und voll….

Adam Green: Da war ich früher gerne, hab mir die Leute angeschaut und mich zu Songs inspirieren lassen. Ich hab damals nur zehn Blocks entfernt gewohnt, zusammen mit meinen Eltern. Als ich dann nach Brooklyn gezogen bin, war ich gerne im McCarrenpark und bin dort rum gelaufen. Und heute bin ich eben in meiner neuen neighbourhood unterwegs.

An jeder Ecke hört man hier Hip Hop. Bist Du nicht in der falschen Stadt?

Adam Green: Egal, ob Rap, Hip Hop oder Folkmusik: alle schöpfen aus derselben Quelle. Wir laufen alle dieselben Strassen lang. Ich persönlich mochte Rapmusik, als sie auch wirklich noch Rapmusik war…

Und wie nennst Du sie heute?

Adam Green: Hip Hop. Ich mag halt noch echte Rapper wie Ice T oder Rob Base and DJ Easy Rock…oder Slick Rick, der ist auch gut, die alle haben etwas Positives vermittelt. Als Kind habe ich in der Nähe von Chinatown mal ein Rapkonzert live miterlebt. Die Jungs hatten blaue Anzüge an und Igelfrsiuren, das war Mitte der 80er Jahre, das hat mir gefallen. Mit Hip Hop verbinde halt nur viele schlechte Assoziationen. Wie machohaft die sind, das habe ich vor allem auf der Highschool zu spüren bekommen, da bin ich von den Kerlen nämlich immer vermöbelt worden.

Wie würdest Du einem Blinden New York beschreiben?

Adam Green: Ich finde, Städte sind wie Personen. Arthur Rimbaud hat meiner Ansicht nach den treffendsten Weg gefunden, Metropolen zu beschreiben. Speziell über New York fallen mir dazu zudem noch Gedichte von Allen Ginsberg ein. Ansonsten würde ich einem Blinden New York durch die hohen Gebäude als klaustrophobisch beschreiben

Und wenn die Stadt eine Person ist, ist sie männlich oder weiblich für Dich?

 Adam Green: Je nachdem, welches Geschlecht Du selbst hast…nein, warte, wahrscheinlich genau andersrum, New York hat das Geschlecht, das Du nicht hast.

Welche Farbe verbindest Du mit ihr?

Adam Green: Für mich ist die Stadt überwiegend grau.

Was liebst Du am Big Apple, was hasst Du an ihm?

Adam Green: Im besten Fall fühlst Du Dich in New York- vorhin habe ich gesagt, mein Appartement ist wie ein Outdoor-Cafe- drinnen, auch wenn Du draußen bist. Etwas, dass Du eben nur durch diese klaustrophobische Geballtheit der Architektur empfinden kannst, die Dir das Gefühl gibt, drinnen zu sein, obwohl Du draußen bist. Das Schlechteste an der Stadt: es gibt kein Aufatmen, nichts an dem Ort ist sanft, alles ist so hart hier.

Auch die Menschen?

Adam Green: Ja, die Leute auch. Aber der Boden ist hart, man kann nirgendwo sitzen, Du kannst nirgendwo aufs Klo gehen..

Du bist hier geboren, ist das auch der Ort, an dem Du mal sterben möchtest?

Adam Green: Ich weiß nicht. Es ist eine Möglichkeit. Ich war noch nie länger als ein paar Monate aus New York weg. Ich bin sehr städtisch. Außerdem liebe ich die vielen Leute, die sich auf einem hohen Bewusstseinslevel gegenseitig beeinflussen. Ich mag den Seelenzustand, ich meine, jeder hier hat Kenntnisse über so viele Dinge, die passieren, jeder hier hat einen so einzigartige Art sich zu stylen, zu reden, jeder kommt woanders her. Hier hab ich mir noch nie Sorgen machen müssen, nicht genügend Fremde in meinem Leben zu haben. So weit ich das beurteilen kann, wenn es um kleine Städte geht, langweilt man sich dort sehr schnell.

Wie möchtest Du denn mal beerdigt werden?

Adam Green: Ich will eingeäschert werden.Ich habe darüber nachgedacht, wenn Du stirbst und dann in diesem Moment gefangen bist, Du kannst Dich nicht bewegen und bist wie gelähmt, aber Du siehst alles und begreifst alles. Nein, jemand kann meinen Kopf einäschern und den Rest begraben.

Welcher Song bzw. Film spiegelt das Lebensgefühl von New York am besten wieder?

 Adam Green: Der Song „Sally can’t dance” von Lou Reed, das ist ein toller Song über New York. Er handelt von einer älteren Ex-Freundin, die er mal hatte, und die im Drogensumpf versinkt und schließlich tot in einem Kofferraum endet.

 

Apropos Drogen: wie ist Deine Haltung diesbezüglich?

Adam Green: Rauchen ist wirklich eine schlechte Angewohnheit. Man sollte nie damit anfangen, denn dann weiß man noch nicht, wie es ist, eine zu wollen, bis man es mal probiert hat. Deshalb würde ich heute sagen: fange niemals jemals damit an. Mit dem Alkohol, na gut, ich habe kein Alkoholgen in mir. Ich trinke gewöhnlich ein bis zwei Bier pro Tag, ich werde dann relaxt. Exzessives Trinken kommt bei mir selten vor, nur, wenn ich mal mit Freunden weggehe, normalerweise kann ich immer rechtzeitig stoppen…obwohl, ich muss mich korrigieren, in der Vergangenheit auf meinen Touren war ich schon das eine oder andere Mal betrunken, aber nur, weil ich so nervös war.

Das heißt, Du hast Lampenfieber?

Adam Green: Letztes Jahr hatte ich es, aber diesmal nicht mehr, es ist verloren gegangen.

Deine aktuelle Akustiktour bekam gemischte Kritiken. Wie siehst Du selbst Deine Leistung?

Adam Green: Ich bin kein Profi, diese Geschichte war ein Experiment, das ich zum Spaß gemacht habe. Ich habe seit Jahren keine Gitarre mehr auf der Bühne gespielt. Aber die, die schlechte Kritiken geschrieben haben, standen bestimmt weiter hinten.

Viele Journalisten beschreiben Dich als scheu, tollpatschig etc. Trifft dieses Bild auf Dich zu oder bist Du eigentlich ganz anders?

Adam Green: Ich weiß nicht..ja, ich kann so sein. Ich bin sicherlich kein Beispiel für perfekte körperliche Koordination, ich bin auch nicht athletisch. Ich bin auch kein Macho, in einer Notsituation bin ich sicherlich nicht derjenige, der das Kommando an mich reißt. Ich meine, mir sind meine Songs wichtig, nicht, wie ich rüberkomme. Ich gehe auf die Bühne und spiele ohne Setlist und auf Zuruf, ich meine, wenn die Leute so ein Maroon vibe Scheiß wollen, sollen sie doch. Aber die Leute, die zu mir aufs Konzert kommen, urteilen nicht über mich, sondern wissen, dass ich Adam bin und authentisch. Professionalität ist so dumm.

Kannst Du am Schluss noch über Dein neues Album sprechen?Hat es schon einen Namen? Was dürfen wir erwarten?

Adam Green: Es ist fertig, es sind 20 Songs geworden, über einen Titel denke ich noch nach. Es ist diesmal sehr vielfältig geworden, da sind Gospelsinger mit drauf, Streicher, Panflöten, ich spiele Tuba. Das Album wurde an verschiedenen Orten aufgenommen, im Studio, im Keller eines Hauses, in der Schule. Es kommt hoffentlich 2008 raus.

Verrätst Du auch mehr über den Inhalt der Songs?

Adam Green: Hab ich vergessen, keine Ahnung. Ich weiß eigentlich nie, wovon meine Songs handeln. Lasst Euch einfach überraschen. Es ist jedenfalls das genaue Gegenteil vom letzten Album.

Eines möchte ich noch wissen: was hat es mit dem Schlüssel um Deinen Hals auf sich?

Adam Green: Der hängt da nur ersatzweise. An meiner Kette war eigentlich eine Kobra dran, die ein guter Freund extra für mich angefertigt hatte. Beim Konzert in London ist die Kobra dann während meines Auftritts ins Publikum gefallen und natürlich habe ich sie nicht mehr zurückbekommen. Irgendwo in England läuft jetzt also jemand mit meinem Anhänger rum.

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